Köln, 22. Juni 2022. Einmal jährlich legt der Nahverkehr Rheinland (NVR) einen Qualitätsbericht für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) vor. Dieser hilft dabei, die Entwicklungen im SPNV nachzuvollziehen, Hintergründe zu erkennen und Handlungsansätze für die Zukunft zu skizzieren. Allerdings stand das Jahr 2021 unter dem Einfluss mehrerer außergewöhnlicher externer Faktoren: "Das vergangene Jahr war geprägt von den katastrophalen Folgen durch das Unwetter »Bernd« im Juli sowie die weiterhin anhaltenden Auswirkungen durch die Corona-Pandemie", so NVR-Geschäftsführer Heiko Sedlaczek. "Von daher können die Ergebnisse nicht mit denen der Jahre zuvor in einen direkten Bezug gesetzt werden. Die Zahl und Komplexität der Baustellen hat sich insbesondere durch die Flutschäden noch einmal gesteigert und bindet bei unseren gemeinsamen Bemühungen mit DB Netz, das Schienennetz fit für die Zukunft zu machen, zwangsläufig Kapazitäten."
Verschärfung der Verspätungssituation
In den vergangenen Jahren hatten die Zugverspätungen konstant abgenommen. Dieser Trend hat sich im Jahr 2021 umgekehrt und es ist zu einer spürbaren Verschärfung der Verspätungssituation gekommen. Die Verspätungen sind im Vergleich zu 2020 über die drei Produktgruppen Regionalexpress (RE), Regionalbahn (RB) und S-Bahn hinweg um 24 Prozent angestiegen und betrugen durchschnittlich 2:05 Minuten. Neben den oben genannten Gründen wurden Netzüberlastungen, Trassenkonflikte und Verspätungsübertragungen an den hiesigen Bahnknoten und den überlasteten Streckenabschnitten festgestellt. Im Raum Köln kam es vor allem im Herbst aufgrund von Baustellen und einer umfangreichen Störung eines elektronischen Stellwerks zu sehr schlechten Pünktlichkeitswerten. Die S-Bahnen sind nur noch knapp vor den RB-Linien die pünktlichste Produktgruppe, die Verspätungen stiegen um 37 Prozent auf 1:56 Minuten an. Bei den RB-Linien lag die Durchschnittsverspätung bei 2:05 Minuten (plus 21 Prozent), bei den RE-Linien bei 2:19 Minuten (plus 18 Prozent).
Neue Höchstwerte beim Zugausfall durch Unwetter Bernd
Im vorletzten Jahr war es der "Corona-Sonderfahrplan", der zu einem starken Anstieg der Zugausfälle führte. Im Jahr 2021 stieg die Zahl der Zugausfälle vor allem durch das Unwetter "Bernd" noch einmal an. Prozentual bedeutet dies eine Zunahme der durchschnittlichen Ausfallquote über alle Produktgruppen hinweg von 4,58 Prozent in 2019 auf elf Prozent in 2020 und weiter auf 13,51 Prozent in 2021. Dabei sind 32 Prozent der Ausfälle dem Unwettergeschehen im Juli und dessen Folgen geschuldet. Weitere Gründe sind die Zunahme der Bautätigkeit sowie ein Lokführerstreik der Gewerkschaft GDL im August und September. Negative Auswirkungen hatte zudem die Corona-Pandemie, insbesondere wegen des dadurch aufgetretenen Personalmangels im SPNV.
Unterschiedliche Entwicklung bei den Kapazitätsausfällen
Bei den Kapazitätsausfällen kam es insgesamt gesehen zu einem leichten Anstieg von 2,14 Prozent im Jahr 2020 auf 2,25 Prozent in 2021. Dabei zeigen sich zwischen den einzelnen Produktgruppen Unterschiede: Während sich der Wert bei den RB-Linien von 2,34 Prozent in 2020 auf 1,86 Prozent in 2021 verbesserte, verschlechterten sich die Werte bei den RE-Linien von 3,04 auf 3,51 Prozent und bei den S-Bahnen von 1,18 auf 1,83 Prozent.
Weiterer Rückgang bei den Fahrgastzahlen
Aufgrund der Corona-Pandemie war es 2020 erstmals seit vielen Jahren zu einem Rückgang der Fahrgastzahlen gekommen. Diese Entwicklung setzte sich 2021 fort: Die Zahl der täglichen Einsteiger an Wochentagen im Jahresmittel sank von 277.000 auf 244.000 Fahrgäste. Umgerechnet auf das ganze Jahr wurden nur noch etwa 92 Millionen Fahrgäste auf dem Gebiet des NVR mit dem SPNV befördert. Es ist jedoch festzustellen, dass ab Mitte des vergangenen Jahres wieder eine steigende Nachfrage zu verzeichnen und daher eine deutliche Trendumkehr erkennbar ist.
Störungen an den Außentüren sind das größte Problem beim Fahrzeugzustand
Bei fast allen Linien ist es im vergangenen Jahr zu einer deutlichen Verschlechterung beim Fahrzeugzustand gekommen. Die Gründe dafür sind zwar meist linien- beziehungsweise netzspezifisch. Ein gemeinsamer Grund für die Verschlechterung ist allerdings, dass die Zuführung der Fahrzeuge zu den Werkstätten und Entsorgungseinrichtungen durch die vielen Baustellen erschwert war. So kam es beispielsweise immer wieder zu sogenannten "Inselverkehren", bei denen die Züge aufgrund von Streckensperrungen eine Zeit lang auf einem Streckenabschnitt eingeschlossen waren. Die schlechtesten Werte bei der Störung der Toiletten (17,20 Prozent) und bei der Störung der Außentüren (21,06 Prozent) wurden erneut beim RE 9 (Rhein-Sieg-Express) festgestellt. Dies liegt zum einen am Konzept der Doppelstockzüge mit mehr Toiletten als auch an der schwierigen Zufuhr der Züge zum Werkstattstandort Aachen aufgrund einer hohen Anzahl an Baustellen.
Kundendialog: Zahl der Fahrgastbeschwerden noch einmal leicht gefallen
Mit dem NVR-Kundendialog gibt es ein wichtiges Instrument, um den Fahrgästen die Möglichkeit zu geben, auf Mängel und Probleme im Schienenpersonennahverkehr hinzuweisen. Vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie lag die Zahl der Kundeneingaben im Jahr 2019 bei 2.393. Im Jahr eins der Pandemie (2020) wurden 1.290 Beschwerden aufgenommen (Rückgang um 46,09 Prozent). Dieser Wert fiel im vergangenen Jahr noch einmal um 4,57 Prozent auf 1.231 Kundeneingaben (minus 59 Eingaben). Die beiden häufigsten Gründe für Beschwerden waren der Zustand der Haltestellen und Stationen sowie Fahrtverspätungen.
Den vollständigen diesjährigen Qualitätsbericht finden Sie im Internet unter: NVR: Verkehrsqualität