3 Fragen an: Nathalie Kuhn und Niklas Singer

 

Die Planung von Mobilität im Sinne einer nachhaltigen Verkehrswende ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Was sind die Herausforderungen dabei, welche Rahmenbedingungen spielen eine Rolle und welche Chancen bietet die voranschreitende Digitalisierung für die Mobilitätsentwicklung? Dazu haben wir mit Verkehrsplanerin Nathalie Kuhn und mit Niklas Singer, verantwortlich für Mobilitätskonzepte & Verkehrsplanung bei go.Rheinland gesprochen.
 

Frau Kuhn und Herr Singer, welche Rahmenbedingungen beeinflussen die Mobilität im Rheinland?

Wir möchten das Verkehrssystem im Rheinland integriert betrachten. Weil wir das tun, beziehen wir verschiedene Aspekte in unsere Betrachtung mit ein. Grundlegend ist zunächst die heterogene Zusammensetzung des Verbandsgebietes von go.Rheinland aus demografischer und geografischer Sicht zu nennen. Es existieren unterschiedliche Bevölkerungs- und Industrieschwerpunkte, einige Regionen sind gut an den ÖPNV angebunden und andere weniger. Vor dem Hintergrund aktueller Herausforderungen, z. B. Finanzierungsdiskussionen, Personalmangel in der Verwaltung und bei den Eisenbahnverkehrs- und -Infrastrukturunternehmen (EVU/EIU) oder geplante Angebotsausweitungen und die damit einhergehenden Anforderungen an die Infrastruktur, verwenden wir Instrumente zur Beobachtung der Mobilität der Menschen im Verbandsgebiet. Ein zentrales Instrument ist die Erhebung der „Mobilität in Deutschland“, deren Ergebnisse u. a. in die Aufstellung des neuen Mobilitätsplanes von go.Rheinland und die Entwicklung von Angeboten wie die Grundlagenuntersuchung Mobilität oder den CO2- und Kosteneffizienz-Rechner einfließen.

 

Frau Kuhn, die NRW-weit abgestimmten Zielnetze 2032 und 2040 geben Aufschluss über die geplanten Angebotsausweitungen auf der Schiene im Rheinland. Welche Angebotsausweitungen sind hier im Besonderen herauszustellen und inwiefern muss die Infrastruktur dafür bereitgestellt werden?

Den Zielnetzen 2032 und 2040 liegt eine fahrplanbasierte Infrastrukturplanung zugrunde. Es wird also zunächst definiert, wie das Angebot im SPNV in den Zeitscheiben 2032 und 2040 gestaltet sein muss, um unseren Ansprüchen an einen attraktiven und verlässlichen SPNV im Sinne einer Verkehrswende gerecht werden zu können. Aus diesem Angebot leitet sich dann im zweiten Schritt die Dimensionierung des notwendigen Infrastrukturausbaus ab. Während im Zielnetz 2032 insbesondere der S-Bahn-Ausbau im Knoten Köln im Vordergrund steht, liegt der Fokus im Zielnetz 2040 auf der Realisierung des RRX-Ausbaus mit der Einführung des durchgehenden 15-Minuten-Taktes zwischen Köln und Hamm. In beiden Zielnetzen finden sich aber auch darüber hinaus umfangreiche Angebotsausweitungen, beispielsweise in Form von Streckenreaktivierungen oder zusätzlichen Verbindungen nach Belgien oder in die Niederlande.

 

Herr Singer, wie schätzen Sie die Rolle von Digitalisierung und nachhaltiger Mobilitätsentwicklung bei der zukünftigen Verkehrsplanung ein? Welche konkreten Maßnahmen sind geplant, um diese Bereiche stärker zu fördern?

Kurzum: zentral. Gerne zitieren wir eine Kollegin, Fachgruppenleiterin des Datenmanagements bei der VRS GmbH, die sagte: „Sichtbarkeit muss man heute digital herstellen.“ Nutzende bestreiten ihren Alltag im ÖPNV oftmals mit digitalen Auskunfts- und Buchungsmedien. Mit der Veränderung der technischen Möglichkeiten und des Mobilitätsverhaltens verändern sich auch die Ansprüche – heute und in Zukunft sind z. B. Echtzeitauskünfte und tiefenintegrierte Mobilitätsangebote von zentraler Bedeutung. Um den Bogen zurück zum Einstiegszitat zu schlagen: Ohne die Digitalisierung kann das real verfügbare Angebot nicht bei den Nutzenden ankommen.

In der nachhaltigen Mobilitätsentwicklung treten Aspekte wie verkehrliche Umweltwirkungen und individuelle Mobilitätsbedürfnisse in den Vordergrund. Konkret heißt das: Wie kann und möchte eine Person mobil sein und wie können die Auswirkungen der Mobilität so gering wie möglich gehalten werden? Durch einen integrierten Ansatz wird der Blick auf das gesamte Verkehrssystem geweitet – Ausgangspunkt für eine nachhaltige Mobilitätsentwicklung.

In Maßnahmen gesprochen bedeutet dies, dass wir den gegenwärtigen Kurs in Richtung nachhaltiger Mobilitätsentwicklung beibehalten, Angebote auf regionaler Ebene schaffen – für Kommunen und Endkunden – und diese den aktuellen Trends anpassen. An der Seite der großen Projekte, wie z. B. die Etablierung und Weiterentwicklung von Mobilstationen im Verbandsgebiet, sei auch der einzigartige CO2- und Kosteneffizienz-Rechner CoKo genannt, mit dem Kommunen die ökonomischen und ökologischen Folgen verkehrsplanerischer Maßnahmen bewerten können.