Sektorbeirat plädiert für ein nachhaltiges Modell zur Finanzierung der Eisenbahninfrastruktur

Für eine starke Infrastruktur müssen tragfähige finanzielle Voraussetzungen geschaffen werden

Köln/Berlin. Der Sektorbeirat, ein unabhängiges Fachgremium, das die DB InfraGO AG berät, zieht nach seiner Sitzung am 9. September 2024 in Berlin Fazit. Es sei zwingend notwendig, dass die DB InfraGO massiv in die Instandhaltung des Bestandsnetzes investiere, gleichzeitig aber auch den Ausbau und die Digitalisierung des Netzes vorantreibe. Der erfolgreiche Aufbau einer nachhaltig leistungsfähigen Infrastruktur sei allerdings nur mit einer dauerhaft auskömmlichen Finanzierung möglich, also einem langfristig angelegten, stabilen und trassenpreisneutralen Finanzierungsmodell. Der Sektorbeirat appelliert daher an alle beteiligten Akteure bei der DB und in der Politik, tragfähige finanzielle Voraussetzungen für eine starke Infrastruktur zu schaffen. Die angestrebte Verlagerung von Verkehr auf die Schiene dürfe nicht auf der Strecke bleiben. Der erfreuliche Aufwuchs in der Finanzierung im Bundeshaushalt 2025 und der neue Rechtsrahmen mit dem reformierten Bundesschienenwegeausbaugesetz können nur ein Anfang sein.

„Infrastruktur ist eine Daueraufgabe“, sagt Bärbel Fuchs, Vorsitzende des Sektorbeirats und Geschäftsführerin der Bayerischen Eisenbahngesellschaft. „Eine leistungsstarke Infrastruktur sicherzustellen, ist ein Marathon, kein Sprint. Entscheidend ist eine langfristige Durchfinanzierung der Vorhaben auf Basis eines langfristigen Finanzierungskonzepts. Nur ein solches kann die stabilen Rahmenbedingungen schaffen, die – nicht zuletzt auch für die Bahnbauindustrie – Planungssicherheit und Verlässlichkeit bieten. Die Gelder für die Infrastruktur müssen deshalb langfristig über mehrere Jahre zur Verfügung stehen, statt sie kurzfristig je nach Haushaltslage freizugeben.“

Man dürfe zudem nicht Gefahr laufen, dass aufgrund etwaiger Finanzierungslücken Sanierungsmaßnahmen nicht zu Ende geführt oder Ausbau- und Digitalisierungsvorhaben erst gar nicht in Angriff genommen werden könnten. Fehle die Finanzierungssicherheit über die gesamte Laufzeit der erforderlichen Infrastrukturvorhaben und -programme, gefährde dies nicht nur die Daseinsvorsorge, da der Bevölkerung in Städten und Regionen kein ausreichendes Angebot im Schienenverkehr mehr gemacht werden könne. Auch die deutsche Industrie und Wirtschaft brauche eine verlässliche Schieneninfrastruktur.

Als Lösung für eine überjährige Finanzierung sieht der Sektorbeirat einen „schuldenbremse-neutralen“ Infrastrukturfonds. Hierzu müssten kurzfristig tragfähige Modelle entwickelt und entsprechende Haushaltsansätze geschaffen werden.

Entwicklungen aufgrund von haushälterischen Einzelmaßnahmen wie die zuletzt von DB InfraGO avisierte drastische Erhöhung der Trassenpreise sieht der Sektorbeirat kritisch. Die Zeche für die Fehler der Vergangenheit dürfe nicht zu Lasten der Nutzer gehen, deren Kosten dadurch überproportional steigen, so die Forderung des Sektorbeirats an die DB InfraGO und den Gesetzgeber. Die aktuell geplanten Steigerungen würden vielfältige negative Folgen haben und kontraproduktiv wirken. Bahnbetreiber, die ohnehin bereits durch erheblich gestiegene Personal- und Energiekosten belastet sind, müssten die höheren Kosten an ihre Kunden weitergeben. Für Fahrgäste würden die Ticketpreise deutlich steigen; gleichzeitig müssten sie sich darauf einstellen, dass mehr und mehr Verbindungen gestrichen würden. Firmen, die ihre Güter auf der Schiene transportieren, könnten genötigt werden, auf andere Verkehrsträger umzusteigen. Zudem könnte die Wettbewerbsfähigkeit des Schienenverkehrs gegenüber anderen Verkehrsträgern Schaden nehmen.

Die Sektorbeiratsvorsitzende Bärbel Fuchs appellierte daher an den Haushaltgeber, die Grundlagen für eine Minderung der Trassenpreise zu schaffen: „In der jetzigen Form ist die Trassenpreiserhöhung nichts anderes als ein Booster für Lkw und Pkw. Der Verkehr wird sich signifikant von der Schiene auf die Straße verlagern. Umso mehr bedarf es einer gesunden Finanzierung für Instandhaltung und Ausbau von Schienen und Stationen, um das System zukunftssicher zu machen. Nur wenn wir alle Kräfte bündeln und entschlossen und gemeinsam vorgehen, können wir die Stärken der Schiene auch voll ausspielen und die angestrebte Verkehrswende zum Erfolg führen. DB InfraGO und der Gesetzgeber sind deshalb gut beraten, die beabsichtigte drastische Verteuerung der Trassen sorgfältig zu überprüfen und mit geeigneten Maßnahmen entgegenzuwirken.“

Dr. Norbert Reinkober, Co-Vorsitzender des Sektorbeirats und Geschäftsführer von go.Rheinland, unterstreicht: „Niemand kann ein ernsthaftes Interesse daran haben, dass der Bahnverkehr auf der Strecke bleibt, weil Fahrgäste und Güterverkehrskunden wieder auf die Straße umsteigen. Ein „Weiter so“ darf es nicht geben. Anderenfalls fällt Deutschland hinsichtlich der Ausstattung seiner Eisenbahninfrastruktur immer weiter hinter andere europäische Länder zurück. Stolpersteine auf dem Weg zu mehr umweltfreundlicher Mobilität müssen aus dem Weg geräumt werden. Was wir brauchen, sind Lösungen, die langfristig tragen.“

Langfristige Lösungen seien auch bei der Umsetzung des europäischen Zugleitsystems ETCS (European Train Control System) und der Digitalisierung der Schiene gefragt. Der Sektorbeirat fordert hier zudem mehr Tempo und einen mit allen Beteiligten koordinierten und langfristig angelegten Umsetzungsplan, um Inkompatibilitäten zu vermeiden. Die Einführung moderner Leit- und Sicherungstechniken spiele eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung der Herausforderungen im Schienenverkehr. Zudem müssen die maroden Stellwerke, die störanfällig und personalintensiv sind, dringend erneuert werden. Zwar seien bereits Fortschritte erzielt, aber es gäbe noch erhebliche Herausforderungen. Trotz der vom Bund bereits zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel, die deutlich über dem Niveau der Vorjahre liegen, bleibe die fehlende ausreichende, langfristige Finanzierung eine der wesentlichen Hürden für die Umsetzung der Vorhaben.

Über den Sektorbeirat

Der Sektorbeirat ist ein unabhängiges Fachgremium, das die gemeinwohlorientierte Arbeit der neu gegründeten DB InfraGO AG begleitet. Die DB InfraGO AG steht vor der großen Herausforderung, die Eisenbahninfrastruktur, also das Netz sowie die Personenbahnhöfe und Serviceeinrichtungen, zu sanieren, auszubauen und im Sinne der Gemeinwohlorientierung zu betreiben. Der Sektorbeirat wurde vom Bund mit dem Ziel konstituiert, die DB InfraGO AG in diesem Umstrukturierungsprozess zu begleiten und zudem für mehr Transparenz und fachlichen Austausch mit der Branche zu sorgen.

Mit 23 Mitgliedern, die aus den Bereichen Eisenbahnunternehmen, SPNV-Aufgabenträger und Verbände kommen, repräsentiert der Sektorbeirat die Breite der Bahnbranche. Vorsitzende des Beirats sind Bärbel Fuchs, Geschäftsführerin der Bayerischen Eisenbahngesellschaft, und Dr. Norbert Reinkober, Geschäftsführer von Go.Rheinland.

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